Es ist echt kniffelig. Als sich Dennis Tito im Oktober 2000 in der Sojus-TM anschnallte, um eine Woche als erster Weltraumtourist auf der ISS zu verbringen, dachte ich “Hui… in 20 Jahren können wir alle in den Weltraum fliegen”. Können wir – aber nur, wenn wir das nötige Kleingeld mitbringen. 20 Millionen Dollar wie Dennis Tito damals an Roskosmos zahlte, sind es wohl nicht mehr, aber einige Hunderttausend Dollar müssen an Anbieter wie Blue Origin immer noch abgedrückt werden. Und dann ist man auch keine Woche im Orbit in 400 km Höhe, sondern kratzt nur kurz an der Karman-Linie in 100 km Höhe. Dort ist die “administrative” Grenze zwischen Atmosphäre und Weltraum. Aber sind Weltraumtouristen dann auch Astronautinnen und Astronauten? Theoretisch ja – aber keine richtigen. Das Training für professionelle Raumfahrerinnen und Raumfahrer dauert Jahre – für die 10 Minuten in der Blue Origin sind es 2 Tage Einweisung. Der Flug erfolgt vollautomatisch, daher passt auch die Bezeichnung “Crew” da irgendwie nicht. Es sind Passagiere, mehr nicht.
Waren die ersten Weltraumtouristen noch “vom Fach”, so sind es heute vor allem die Superreichen, die sich einen Kindertraum erfüllen. Dennis Tito hat beispielsweise viele Jahre als Ingenieur im JPL gearbeitet, bevor er beim Investmentbanking Millionen machte – er machte ein umfangreiches Kosmonautentraining mit und durfte trotzdem nur die nicht-russischen Teile der ISS “beschweben”, wenn er von einem US-Astronauten eskortiert wurde. In der Woche oben führte er dann auch eine ganze Reihe von selbstgewählten wissenschaftlichen Experimenten durch.
Diese Probleme hatten Katy Perry und ihre Truppe sowie andere knapp 50 Personen vor ihr nicht, die in der New Glenn Kapsel von Blue Origin auf den rund 10-minütigen Suborbitalflug gingen. Da ging es primär um Memes, Reels, Selfies und die sicherlich beeindruckende Aussicht. Und natürlich ein paar Minuten Schwerelosigkeit. Die Kosten dafür dürften bei rund 600.000 Dollar pro Person liegen.
Und da kommen wir natürlich zum moralischen Dilemma – was könnte man für 600.000 Dollar alles machen? Gratis Schulessen, Lehrerinnen und Lehrer bezahlen, die Armut bekämpfen usw. – unter den Posts der Passagierinnen von NS-31 gibt es genug entsprechende Kommentare. Der Schaden für die Umwelt durch so einen riesigen Emissionsprügel für so einen kurzen und wissenschaftlich unbedeutenden Flug ist ebenso ein Thema.
Was halte ich nun davon? Ich finde es tatsächlich schwierig zu beurteilen. Schon die Schäden für die Umwelt sind eigentlich ein No-Go. Allerdings haben sich die Reichen und Schönen selten um was anderes als sich selbst gekümmert.
Ich habe auch als Kind zu den Sternen geblickt und geträumt, mal da rauf zu kommen (das mache ich immer noch mal). Hätte ich so viel Geld wie Katy Perry, würde ich wahrscheinlich auch sagen “600k? Kein Thema, kann ich mit Karte zahlen…” . Habe ich aber nicht. Also bleibt mir nur, die, die es sich leisten können zu verdammen? Nee, das wäre zu kurz gedacht. Sich Kindheitsträume zu erfüllen, dafür geht man schließlich arbeiten – aber vielleicht gibt es ja irgendwann eine sauberere Art – oder halt andere Träume, wo sich reiche Leute was gönnen.
Allerdings möchte ich eine Person aus der NS-31 hervorheben, der ich es von Herzen gönne: Amanda Nguyễn. Schaut Euch ihr Reel an und Ihr werdet es verstehen.