Letzte Woche hab ich mir „The Guilty“ mit Jake Gyllenhaal angesehen. Ein Film, der fast komplett in einer Notrufzentrale spielt und trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – ziemlich unter die Haut geht. Antoine Fuqua, den man eher von harter Actionkost wie „Shooter“ oder „The Equalizer“ kennt, macht hier was völlig anderes: einen ungemein reduzierten Thriller, der seine Spannung komplett über Stimmen, Geräusche und das nervöse Gesicht seines Protagonisten aufbaut.
Jake Gyllenhaal spielt Joe Baylor, einen LAPD-Polizisten, der zur Strafe an den Notruf-Schreibtisch verbannt wurde. Mitten in der Nachtschicht bekommt er einen Anruf, der alles verändert. Am anderen Ende: Emily, eine Frau, die offensichtlich entführt wurde und nur in Bruchstücken und Codes sprechen kann, während sie in einem weißen Van durch Kalifornien gefahren wird.
Was draußen passiert, sehen wir nie. Genau wie Joe sind wir auf Telefonate, Hintergrundgeräusche und kurze Informationsfetzen angewiesen. Das ist clever gemacht, denn dadurch fühlt man sich als Zuschauer genauso hilflos und verwirrt wie der Protagonist selbst. Joe versucht, aus der Distanz Leben zu retten und kommt nebenbei mit seiner eigenen, nie ganz ausgesprochenen Schuld klar.
„The Guilty“ ist ein Remake des dänischen Thrillers „Den skyldige“ und übernimmt dessen Kammerspiel-Prinzip, verlegt es aber in eine amerikanische 911-Zentrale. Fuqua hält rigoros an diesem Setting fest. Er spielt mit Licht, Close-ups und Sounddesign und schafft es, aus Monitoren, Headsets und flackernden Bildschirmen ein fast klaustrophobisches Szenario zu bauen.
Die komplette Wucht des Films liegt auf den Schultern von Jake Gyllenhaal. Er legt Joe als nervöses, aggressives Nervenbündel zwischen Pflichtgefühl, Selbstüberschätzung und echter Panik an. Dazu kommen starke Voice-Performances der Figuren, die wir nie zu Gesicht bekommen. Das Ohr ersetzt hier quasi die Kamera, was den Thriller überraschend körperlich wirken lässt.
Wer permanente Schauplatzwechsel, Action-Szenen und große Bilder erwartet, ist bei „The Guilty“ falsch. Wer aber Lust auf ein kompaktes, intensives Kammerspiel hat, wird mit 90 ziemlich spannenden Minuten belohnt. Die Mischung aus stilvoller, reduzierter Inszenierung und einer starken One-Man-Show von Gyllenhaal sorgt dafür, dass der Film trotz bekannter Thriller-Bausteine frisch und nervenaufreibend wirkt.
Unterm Strich ist „The Guilty“ ein schick inszeniertes Telefon-Thriller-Experiment, das seine minimale Form maximal ausreizt und gerade dadurch lange nachhallt. Kein perfekter Film, aber ein sehr sehenswertes Stück Spannungs-Kino. Besonders, wenn man gern gemeinsam mit der Hauptfigur im Dunkeln tappt und Stück für Stück der Wahrheit näherkommt.
Ich weiß, dass ich mit solchen konzentrierten, reduzierten Filmen eher in der Minderheit bin. Aber genau diese Art von Kino – wo man sich wirklich drauf einlassen muss, wo nicht alle zwei Minuten was explodiert – die hat was. „The Guilty“ ist so ein Film. Mal sehen, ob ihr das ähnlich seht.